22.02.2017
“Die Kontaktmanagement-Explosion: Was die digitale Transformation für PR-Manager bedeuten könnte”
Convento PR-Frühstück mit Prof. Dr. Joachim Klewes im Quadriga Forum Berlin
Prof. Dr. Joachim Klewes
Wenn in Zeiten der Social Media das “One-to-Many”-Prinzip der Unternehmenskommunikation zugunsten eines “Many-to-Many”-Prinzips aufgehoben wird, praktisch jeder ein Journalist sein kann (oder sich dafür hält, oder dafür gehalten wird), ist das Absender-Monopol aufgehoben. Aber was kommt jetzt? Wenn ein Unternehmen zehntausende oder gar hunderttausende von “Micro-Influencern” identifizieren kann – wie werden die angesprochen? Wenn social bots in der Kommunikation scheinbar eigenständig Informationen platzieren? Wer ist der Gewinner, wenn “bot-battles for influence” zwischen Marken oder politischen Strömungen geschlagen werden?
Prof. Dr. Joachim Klewes, bis Ende 2016 Senior Partner der internationalen Kommunikationsagentur Ketchum Pleon und Leiter der Change Centre Consulting GmbH sowie Honorarprofessor an der Heinrich-Heine-Universität zu Düsseldorf, behauptet nicht, endgültige Antworten auf solche Fragen zu haben. Aber gestern diskutierte er auf Einladung von Convento mit 50 interessierten PR-Professionals, wie die wichtigsten Fragen der Unternehmens- und Politikkommunikation in den nächsten Jahren lauten. Im Mittelpunkt der Diskussion standen seine folgenden sechs Thesen:
1. “Content is king” – diese Formulierung war noch nie aktueller. Content ist wichtig, um Botschaften transportieren zu können – denn darum geht es bei professioneller Kommunikation immer. Ob für Produkte, Dienstleistungen, Lebenskonzepte, politische Entscheidungen. Wesentlich sind dafür zwei Aspekte: die RELEVANZ von Content und die KREDIBILITÄT. Beide Aspekte können durch künstliche Intelligenz sehr wohl aus vorhandenen Daten erzeugt werden. Das gilt (vermutlich) genau so für KREATIVITÄT, die wir immer so gern als Domain der Menschen und “der Kreativen” darstellen. Seit den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts (Guilford) wissen wir aber sehr viel über die Konstruierbarkeit mindestens bestimmter Formen von Kreativität (i.S.v. divergentem Denken) und es ist kein systematischer Grund erkennbar, warum das nicht mit Künstlicher Intelligenz möglich sein sollte. Es könnte also wahr werden: Wer die besseren Algorythmen hat, wer die bessere KI hat, wird auch den besseren Content bekommen.
2. Viele Mikro-Influencer oder Catalysts bringen nicht automatisch mehr Impact als einige wenige Mega-Influencer. Es stellen sich aber zwei Fragen: Die Effizienz-Frage: Was ist wirtschaftlicher – die Mega-Influencer zu erreichen oder die Mikro-Influencer? Und die zweite Frage ist, ob man es sich leisten kann, die Mikro-Influencer zu ignorieren, wenn Konkurrenten oder Opponenten bei ihnen aktiv sind. Zweifellos wird es wichtiger werden, die Einfluss-Ströme innerhalb des Influencer-Feldes kennen zu lernen: Auch die Influencer werden beeinflusst. Früher haben wir mit Konzepten wie Gatekeeper oder 2‑Step-Flow of information gearbeitet – heute benötigen wir eher Netzwerkanalysen oder ein Konzept wie den Multi-Step-Flow of influence.
3. Match-Making zwischen den granularen Zielgruppen, den Mikro-Influencern und Catalysts also, und Content wird durch big-data und KI künftig wesentlich leichter möglich sein als heute. Programme generieren in Zukunft nicht nur Texte, sie passen diese auch selbstständig an bestimmte Plattformen und Zielgruppen und Situationen an. Das gilt in wenigen Jahren auch über die gängigsten Sprachen hinweg, durch automatische Dolmetschsysteme.
4. Selbstlernende Kampagnen werden möglich. Da wir immer mehr über die Zielgruppen und Zielpersonen wissen und immer mehr Daten über das Funktionieren von Kampagnen vorhanden sein werden, können künftige Systeme dieses Material auswerten und eigene Impulse für die Kampagnensteuerung geben: Welcher Content in welcher Form, wann und mit welchem Absender in welche Channels gegeben werden sollte. Das wird insbesondere dann gelten, wenn es künftig ggf. in Ländern wie China bald schon Pflicht sein könnte, in einem sozialen Netzwerk angemeldet zu sein. Dieses “Citizen Scoring” würde es der Regierung und auch Firmen dann möglich machen, so gut wie alles über die Menschen zu wissen und durch zielgerichtete Kampagnen ihr Denken, ihre Gefühle, ihr Verhalten und Entscheidungen sehr wirksam zu lenken.
5. Der Beruf des klassischen Kommunikationsmanagers verändert sich dadurch. So wie die meisten Kommunikationsmanager heute nicht ihre eigenen Webauftritte programmieren können, weil sie kein HTML beherrschen und auf die Hilfe von hochverdichteten Programmen angewiesen sind, arbeiten heute schon und künftig noch mehr Spezialisten in den Unternehmen, Organisationen, Politik-Institutionen mit Spezialagenturen für Datenanalyse und Influencer Management zusammen. Es wird entscheidend sein, wie stark der Wettbewerb bei diesen Spezialagenturen sein wird. Wenn es hier eine Konzentration gibt und sich nur die big spender in Marketing und Politik entsprechende Services leisten können, wird es zu einer neuen “digital divide” in der professionellen Kommunikation kommen – zwischen einigen großen, die auf alle Ressourcen zurückgreifen können und den vielen Kleinen, denen es z.B. an Rechenleistung oder Datenzugriff oder Kompetenz fehlt.
6. So wie wir heute eine Gegenbewegung gegen die etablierten Medien sehen, ob sie als Lügenpresse oder fake news verunglimpft werden, sollten wir uns auf ein Anwachsen der Gegenbewegung der Menschen einstellen, die nicht mehr gläsern sein wollen. Dies wird sich nur teilweise im Rückzug in nicht-digitale Lebensräume abspielen, sondern kann auch im digitalen Raum stattfinden – in der ganzen Bandbreite von
* Transparenz-Agenturen, die Hintergrundinformationen liefern
* Intimitäts-Dienstleistern, die eine zeitlich oder räumlich definierte Abschirmung von unerwünschten digitalen Impulsen liefern bis hin zu
* digitalen Stämmen oder Mikro-Kosmen, in denen Communities unter sich bleiben und sich selbst genügen.
Und für alle, die nicht dabei sein konnten, gibt es hier noch seine Buchempfehlung dazu: www.outthinking.agency.
Prof. Dr. Joachim Klewes, bis Ende 2016 Senior Partner der internationalen Kommunikationsagentur Ketchum Pleon und Leiter der Change Centre Consulting GmbH sowie Honorarprofessor an der Heinrich-Heine-Universität zu Düsseldorf, behauptet nicht, endgültige Antworten auf solche Fragen zu haben. Aber gestern diskutierte er auf Einladung von Convento mit 50 interessierten PR-Professionals, wie die wichtigsten Fragen der Unternehmens- und Politikkommunikation in den nächsten Jahren lauten. Im Mittelpunkt der Diskussion standen seine folgenden sechs Thesen:
1. “Content is king” – diese Formulierung war noch nie aktueller. Content ist wichtig, um Botschaften transportieren zu können – denn darum geht es bei professioneller Kommunikation immer. Ob für Produkte, Dienstleistungen, Lebenskonzepte, politische Entscheidungen. Wesentlich sind dafür zwei Aspekte: die RELEVANZ von Content und die KREDIBILITÄT. Beide Aspekte können durch künstliche Intelligenz sehr wohl aus vorhandenen Daten erzeugt werden. Das gilt (vermutlich) genau so für KREATIVITÄT, die wir immer so gern als Domain der Menschen und “der Kreativen” darstellen. Seit den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts (Guilford) wissen wir aber sehr viel über die Konstruierbarkeit mindestens bestimmter Formen von Kreativität (i.S.v. divergentem Denken) und es ist kein systematischer Grund erkennbar, warum das nicht mit Künstlicher Intelligenz möglich sein sollte. Es könnte also wahr werden: Wer die besseren Algorythmen hat, wer die bessere KI hat, wird auch den besseren Content bekommen.
2. Viele Mikro-Influencer oder Catalysts bringen nicht automatisch mehr Impact als einige wenige Mega-Influencer. Es stellen sich aber zwei Fragen: Die Effizienz-Frage: Was ist wirtschaftlicher – die Mega-Influencer zu erreichen oder die Mikro-Influencer? Und die zweite Frage ist, ob man es sich leisten kann, die Mikro-Influencer zu ignorieren, wenn Konkurrenten oder Opponenten bei ihnen aktiv sind. Zweifellos wird es wichtiger werden, die Einfluss-Ströme innerhalb des Influencer-Feldes kennen zu lernen: Auch die Influencer werden beeinflusst. Früher haben wir mit Konzepten wie Gatekeeper oder 2‑Step-Flow of information gearbeitet – heute benötigen wir eher Netzwerkanalysen oder ein Konzept wie den Multi-Step-Flow of influence.
3. Match-Making zwischen den granularen Zielgruppen, den Mikro-Influencern und Catalysts also, und Content wird durch big-data und KI künftig wesentlich leichter möglich sein als heute. Programme generieren in Zukunft nicht nur Texte, sie passen diese auch selbstständig an bestimmte Plattformen und Zielgruppen und Situationen an. Das gilt in wenigen Jahren auch über die gängigsten Sprachen hinweg, durch automatische Dolmetschsysteme.
4. Selbstlernende Kampagnen werden möglich. Da wir immer mehr über die Zielgruppen und Zielpersonen wissen und immer mehr Daten über das Funktionieren von Kampagnen vorhanden sein werden, können künftige Systeme dieses Material auswerten und eigene Impulse für die Kampagnensteuerung geben: Welcher Content in welcher Form, wann und mit welchem Absender in welche Channels gegeben werden sollte. Das wird insbesondere dann gelten, wenn es künftig ggf. in Ländern wie China bald schon Pflicht sein könnte, in einem sozialen Netzwerk angemeldet zu sein. Dieses “Citizen Scoring” würde es der Regierung und auch Firmen dann möglich machen, so gut wie alles über die Menschen zu wissen und durch zielgerichtete Kampagnen ihr Denken, ihre Gefühle, ihr Verhalten und Entscheidungen sehr wirksam zu lenken.
5. Der Beruf des klassischen Kommunikationsmanagers verändert sich dadurch. So wie die meisten Kommunikationsmanager heute nicht ihre eigenen Webauftritte programmieren können, weil sie kein HTML beherrschen und auf die Hilfe von hochverdichteten Programmen angewiesen sind, arbeiten heute schon und künftig noch mehr Spezialisten in den Unternehmen, Organisationen, Politik-Institutionen mit Spezialagenturen für Datenanalyse und Influencer Management zusammen. Es wird entscheidend sein, wie stark der Wettbewerb bei diesen Spezialagenturen sein wird. Wenn es hier eine Konzentration gibt und sich nur die big spender in Marketing und Politik entsprechende Services leisten können, wird es zu einer neuen “digital divide” in der professionellen Kommunikation kommen – zwischen einigen großen, die auf alle Ressourcen zurückgreifen können und den vielen Kleinen, denen es z.B. an Rechenleistung oder Datenzugriff oder Kompetenz fehlt.
6. So wie wir heute eine Gegenbewegung gegen die etablierten Medien sehen, ob sie als Lügenpresse oder fake news verunglimpft werden, sollten wir uns auf ein Anwachsen der Gegenbewegung der Menschen einstellen, die nicht mehr gläsern sein wollen. Dies wird sich nur teilweise im Rückzug in nicht-digitale Lebensräume abspielen, sondern kann auch im digitalen Raum stattfinden – in der ganzen Bandbreite von
* Transparenz-Agenturen, die Hintergrundinformationen liefern
* Intimitäts-Dienstleistern, die eine zeitlich oder räumlich definierte Abschirmung von unerwünschten digitalen Impulsen liefern bis hin zu
* digitalen Stämmen oder Mikro-Kosmen, in denen Communities unter sich bleiben und sich selbst genügen.
Und für alle, die nicht dabei sein konnten, gibt es hier noch seine Buchempfehlung dazu: www.outthinking.agency.