Prof. Dr. Olaf Hoffjann
Tue Gutes und schweige. Warum gesellschaftspolitische Haltungskommunikation gesellschaftliche Gräben eher vertieft als sie zu schließenBeitrag teilen:
Es ist ehrenwert, wie Unternehmen öffentlich Stellung beziehen für Vielfalt und gegen Diskriminierung. Noch ehrenwerter ist es, dass viele auch bereit sind, dafür Kündigungen von Kunden und Mitarbeitenden in Kauf zu nehmen. Leider spricht wenig dafür, dass dies positive Effekte für das gesellschaftliche Klima hat. Im Gegenteil: Viel spricht dafür, dass Corporate Social Advocacy (CSA) die gesellschaftlichen Gräben weiter vertieft und verbreitert. Daher werden nach dieser ernüchternden Analyse Alternativen zum CSA vorgestellt, die man wie folgt zusammenfassen könnte: Tue Gutes und schweige dazu.
Im aktuellen Convento PR-Impuls stellte Prof. Dr. Olaf Hoffjann von der Universität Bamberg eine unbequeme, aber hochaktuelle Frage:
Was bewirkt es wirklich, wenn Unternehmen gesellschaftspolitisch Haltung zeigen – und öffentlich Position beziehen?
Seine ernüchternde Diagnose: Corporate Social Advocacy (CSA) mag moralisch ehrenwert erscheinen, trägt aber oft nicht zur Versachlichung des gesellschaftlichen Klimas bei – im Gegenteil, sie kann Polarisierung und Entfremdung verstärken.
Was ist Corporate Social Advocacy (CSA)?
Unternehmen äußern sich öffentlich zu kontroversen politischen oder gesellschaftlichen Themen, die nicht unmittelbar ihr Kerngeschäft betreffen – etwa zu Migration, Diversity oder Demokratie. Ziel ist meist, die Reputation zu stärken, Sympathie bei Stakeholdern zu gewinnen und zu zeigen: „Wir übernehmen Verantwortung.“
Doch Hoffjann verweist auf ein zentrales Dilemma: „Was für einige Stakeholder glaubwürdig wirkt, entfremdet andere – besonders in einer polarisierten Gesellschaft.“
Gut für Unternehmen – aber für wen genau?
Zwar zeigen Studien (u. a. Denner & Viererbl, 2025), dass Haltungskommunikation intern und extern oft breite Zustimmung erfährt.
Doch: Sie kann Minderheiten innerhalb der Belegschaft demotivieren oder zur „inneren Kündigung“ führen.
Je größer und heterogener ein Unternehmen und seine Stakeholder sind, desto höher das Risiko von Boykott, Shitstorm oder Vertrauensverlust.
Buycotting-Chancen (Zustimmung und Belohnung durch Kunden) wiegen die Boycotting-Risiken selten auf.
Reputation profitiert nur dann, wenn ein klarer Fit zwischen Unternehmen und Thema besteht – etwa wenn Engagement und Unternehmenszweck glaubwürdig zusammenpassen.
Gut für das gesellschaftliche Klima? Eher das Gegenteil.
Hoffjann zeigte, dass Haltungskommunikation kaum Brücken zwischen Lagern baut.
Empirische Befunde belegen:
CSA bestärkt eher die eigene Anhängerschaft, während sie Kritiker noch stärker abstößt.
Die gesellschaftlichen Gräben vertiefen und verfestigen sich.
Selbst innerhalb von Unternehmen gehen gemeinsame Gesprächsräume verloren – sensible Themen werden gemieden, Dialog wird durch Polarisierung ersetzt.
Die Folge: weniger Austausch, mehr Abgrenzung.
Was tun? – Auswege aus der Haltungsspirale
Prof. Hoffjann plädiert nicht für Schweigen im Sinne von Wegsehen, sondern für Reflexion und Zurückhaltung:
„Tue Gutes – aber schweige zu gesellschaftspolitischen Themen, zu denen du nichts Substanzielles beitragen kannst.“
Seine Empfehlungen:
Tue Gutes und rede darüber – wenn das Engagement strukturell verankert ist (z. B. Antidiskriminierung, Nachhaltigkeit).
Tue Gutes und schweige – bei Themen ohne direkten Unternehmensbezug.
Rede zurückhaltend – sachlich, ohne moralische Überhöhung.
Rede vage oder konsensorientiert, wenn gesellschaftliche Spaltung droht.
Kurz gesagt: Weniger moralische Symbolik, mehr konkrete Verantwortung.
Corporate Social Advocacy bleibt ein zweischneidiges Schwert. Unternehmen, die Haltung zeigen, sollten sich bewusst sein, dass sie damit nicht automatisch zum gesellschaftlichen Zusammenhalt beitragen – im Gegenteil, sie riskieren, Polarisierung zu verstärken.
Olaf Hoffjanns Impuls war ein Plädoyer für leises, aber wirksames Handeln: „Tue Gutes – und schweige dazu.“
Vielen Dank für diesen Beitrag, der nachdenklich macht.
Über Prof. Dr. Olaf Hoffjann:
Prof. Dr. Olaf Hoffjann (53) ist seit 2019 Professor für Kommunikationswissenschaft, insbesondere Organisationskommunikation und Öffentlichkeitsarbeit an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg. Zuvor hatte er eine Professur an der Ostfalia Hochschule (2011-2019) sowie an der Mediadesign Hochschule in Berlin (2006-2011) inne. Er forscht und publiziert zu Public Relations, politischer Kommunikation, postfaktischer Demokratie und Public Affairs. Vor seinem Wechsel in die Wissenschaft hat er von 2000 bis 2006 bei fischerAppelt Kommunikation in Berlin u.a. Verbände und Ministerien beraten.
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